Der "Unkrautkreisel" am Apfelgarten - was verbirgt sich dahinter?
Wir leben in einem aufstrebenden Ort mit reger Neubautätigkeit. Auch im alten Ortskern gibt es schmucke neue Häuser. Größere Grundstücke werden geteilt und Vorgärten gepflastert und in Stellplätze für Autos verwandelt. Es bleibt meist ein Rest-Grün, das den Namen Garten nicht mehr verdient. Es gibt immer weniger Brachflächen, Wäldchen, Wildkräuterfluren oder alte Gärten mit hohen Bäumen.
Auch die öffentlichen Flächen, Randstreifen und das „ Abstandsgrün“ um Häuser und Schulen müssen das Prädikat „pflegeleicht“ tragen. Also Rasen, der maschinell kurzgehalten werden kann. Aber: Rasen ist kein Lebensraum.
So werden in unserem Ort (und leider nicht nur hier) in dramatischem Ausmaß Pflanzen und Kleinlebewesen ausgerottet.
Viele Insekten leben in einer sehr speziellen Beziehung zu bestimmten Pflanzen. Verschwindet die Pflanze, verliert auch das Tier seine Lebensgrundlage. Dann nützt es auch nichts mehr, „Insektenhotels“ aufzustellen.

Die BUND-Ortsgruppe hat sich den Kreisel am Apfelgarten von der Gemeinde als Versuchsfläche erbeten, um Wildkräuter auszusäen, die für Wildbienen wichtig sind. Wir haben dazu den Boden stark „vermagert“ und kaum in die Entwicklung eingegriffen. Natürliche Witterungseinflüsse (regenreicher Frühsommer, trockene Sommermonate) haben die Fläche mitgestaltet. Was aufgegangen ist, ist eine sehr interessante Pflanzengesellschaft mit über 30 – teils seltenen – Arten.
Zeitweilig sah die „Wildnis“ sogar richtig schön aus, und die Kräuter blühten bis weit in den Herbst hinein. Wir haben nicht gemäht, damit die Pflanzen Samen bilden. Hier geht es ja nicht um Ästhetik, sondern um Artenvielfalt. Im zweiten Jahr soll es auch schon ansprechender aussehen, lehren die Erfahrungen in anderen Gemeinden.


Warum ist es so wichtig, die Artenvielfalt zu erhalten?

Jedes Lebewesen verfügt über eine einzigartige Ausstattung mit Genen. Die Gesamtheit der Erbinformationen („Gen-pool“) sicherte die Entwicklung und Erhaltung des Lebens auf der Erde.
In der Natur haben sich über die Jahrmillionen Gleichgewichte eingespielt, die eine Stabilität, aber auch Flexibilität bewirkten. Gab es z.B. Naturkatastrophen, die Massen von Lebewesen vernichteten, so gab es auch einzelne Mutationen, die das Überleben gerade ermöglichten und so den Fortbestand des Lebens gewährleisteten.
„Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen“, wussten unsere Vorfahren. Sie sprachen auch von der „Hasen-Apotheke“ und meinten den Feldrain. (Heute müssen wir warnen: Vorsicht, Gift! )
Nur zu verständlich ist der Wunsch vieler Häuslebauer, auch den neuen eigenen Garten rasch ansprechend zu gestalten. Wenn sich das Resultat aber - wie in vielen Fällen - auf Rollrasen, Kirschlorbeer und Kübelpflanzen beschränkt, erfahren wir flächendeckend eine Verarmung unserer Umwelt, die uns zu denken geben muss.
Wer also den Kreisel am Apfelgarten umfährt, sollte sich nicht länger ärgern, dass es hier nicht so schmuck und aufgeräumt wie im eigenen Garten aussieht, sondern sich darüber freuen, dass hier eine „Arche Noah für Pflanzen“ existiert, die vielleicht manche fast schon verlorene Pflanzenart rettet.


Vielleicht könnte bei Ihnen auch eine Rasenfläche oder Gartenecke zur Arche werden?


Und dann könnte man den Kreisel ja auch umbenennen...

Bau eines Insektenhotels 2008